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Kaufuntersuchung – reicht röntgen aus?

Die röntgenologischen Befunde entscheiden häufig über das Zustandekommen eines Kaufes.

Diskussionen über die Wertigkeit und Aussagekraft von Röntgenbefunden werden schon seit der Erstellung der ersten Röntgenbilder diskutiert.

Was bedeutet ein Chip für das Pferd und den potentiellen Käufer? Wie schlimm ist die Veränderung am Strahlbein wirklich? Wird aus den Veränderungen am Sprunggelenk einmal ein unbrauchbares Pferd? Usw.

Die Röntgenbildbeurteilung als Basis für eine Kaufentscheidung – Das wäre schön! Doch so einfach ist es leider nicht.

Im Rahmen vieler Untersuchungen wurden mehrere Millionen an Röntgenbildern in der Pferdemedizin angefertigt. Ergänzend gibt es zu einzelnen Befunden wissenschaftliche Erkenntnisse. Die Auswertung solch einer großen Zahl von Röntgenbildern, die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Bewegungsablauf und Krankheitsverläufen bei röntgenologischen Veränderungen bei Belastung von Pferden wurden zusammengefasst und in einem Gremium von Spezialisten in einen Röntgenleitfaden formuliert. Dieser Röntgenleitfaden teilt die Befunde wie auch schon vorher in 4 Klassen ein.

In Klasse 1 sind alle Röntgenbefunde eingestuft, die ohne eine Abweichung von der Norm oder im Rahmen von anatomischen Varianzen zu bewerten sind. Dies Klasse wird als „Ideal“ angesehen. Da Natur nicht immer „Ideal“ ist, folgt daraus, dass nur wenige Pferde diese röntgenologischen Kriterien erfüllen.

Röntgenbefunde, bei denen geringgradige Abweichungen von der Idealsituation vorliegen sind in Klasse 2 eingeteilt. Diese als „Norm“ bezeichnete Klassifizierung trifft auf sehr viele der untersuchten Pferde zu. Bei diesen Befunden gilt es als unwahrscheinlich, dass aus den, vom Ideal abweichenden Befunden eine Gesundheitsproblematik entsteht.

Befunde die in Klasse 3 rangieren, sind deutlich vom „Ideal“ abweichend. Bei diesen Befunden ist das Auftreten von klinischen Erscheinungen, in aller Regel Lahmheiten, wenig wahrscheinlich. Man bezeichnet sie als die „Toleranzform“. Daraus wird deutlich, dass die festgestellten Befunde zwar deutlich erkennbar, aber in ihrer Bedeutung hinsichtlich einer orthopädischen Erkrankung eher wenig wahrscheinlich sind.

In Röntgenklasse 4 sind dann alle erheblich von der Norm abweichenden Befunde aufgeführt, die wahrscheinlich zu einer Gesundheitsbeeinträchtigung führen. Man bezeichnet dies als die „Risikoform“.

Auch in der neuen Fassung des Röntgenleitfadens sind Zwischenklassen vorgesehen (1-2; 2-3; 3-4). Zwischenklassen sollen ermöglichen, dass ein Befund je nach Ermessen des einzelnen Tierarztes, sowohl in der einen als auch in der anderen Klasse vertreten ist. So einfach ist das also leider nicht!

Das Röntgenbild allein sollte nicht als einzelne Aussage für die gesundheitliche Qualität eines Pferdes stehen. Ein Pferd mit brillanten Bildern der Klasse 1 kann dennoch stumpf und zum Teil auch lahm gehen. Umgekehrt können Pferde mit Röntgenklasse 3-Bildern oder sogar 4, auch sehr gute und dauerhaft leistungsfähige Reit- und Sportpferde sein.

Das heißt, die klinische Untersuchung muss die Basis für jede Kaufuntersuchung bleiben.

Die Qualität des Pferdes sollte nicht ausschließlich über die Röntgenklasse definiert werden. Ein „1-ser TÜV“, wie es in Reiterkreisen häufig heißt, bezieht sich dabei ausschließlich auf die Röntgenbilder. Oft wird hier sogar eine besondere Leistungsbereitschaft des Pferdes hineininterpretiert. Dabei hat das  Röntgenbild mit der Qualität eines Pferdes absolut nichts zu tun. Ein Pferd mit Röntgenbildern der Klasse 3 ist heute oft trotz sonstiger Qualitäten schwer zu verkaufen. Es werden so viele Pferde nicht oder nur schwer verkauft, obwohl sie als Reit- und Sportpferd gut geeignet wären.

Diese Situation ist für Pferdeverkäufer und für Tierärzte eine oft schwierige Situation. Aber nicht nur die Seite des Verkäufers ist kompliziert.

Ein Käufer, der sich für ein spezielles Pferd interessiert, möchte dieses Pferd grundsätzlich gerne kaufen. Er hat es entsprechend ausprobiert und ist von seiner reiterlichen Qualität überzeugt. Dies ist im Vorfeld der Untersuchung schon so passiert.

Die gesundheitliche Überprüfung soll die Kaufentscheidung nun abrunden.

Käufer sind grundsätzlich genauso wenig daran interessiert einen Kauf verhindernden Befund zu erfahren als der Verkäufer. Aus diesen verschiedenen Aspekten muss eine komplette Kaufuntersuchung stattfinden. Dies widerspricht der immer wieder geübten Praxis, bei der Käufer nur eine Röntgenuntersuchung zur Beurteilung des zu kaufenden Pferdes verlangen. Im Einzelfall steht der Kauf fest und es wird aufgrund irgendwelcher Befunde versucht, den Preis zu verhandeln. Auch dies ist ein Aspekt der Kauf- / Röntgenuntersuchung.

Unter dem Strich sollte man zuerst das Pferd betrachten, eine klinische Untersuchung im klassischen Sinne mit allgemeiner Untersuchung, Vortraben, Beugen und Belasten an Longe in der Wendung auf weichem und auf hartem Boden durchführen. Sind diese Untersuchungen unauffällig, wird eine Standardröntgenuntersuchung durchgeführt.

Bei der Standardröntgenuntersuchung sind die Zehenaufnahmen vorne und hinten beidseits, die Aufnahme des Strahlbeines (nach Oxspring) vorne beidseits, sowie je zwei Aufnahmen vom Sprunggelenk enthalten.

Für potentielle Sportpferde wird dieser Standard um 3 Rückenbilder und je 2 Röntgenbilder der Knie ergänzt.

Weitere Röntgenaufnahmen wie die Gleitfläche des Strahlbeines, die Halswirbelsäule usw. sind nach Vereinbarung möglich.

Sind die Befunde in die Größenordnung der Klassen 1 und 2 einzuteilen, wird dies sicherlich kein Problem sein. Aber auch wenn die Röntgenbefunde Klasse 3 entsprechen, sollte dies nicht automatisch zur Kaufverhinderung führen. Das Röntgenbefunde, die in Klasse 4 einzuteilen sind häufig den Kauf zerschlagen, ist nachzuvollziehen.

Röntgen sollte immer als eine Ergänzung zum allgemeinen Untersuchungsgang gesehen werden. Das Alter und die Lebensleistung eines Pferdes sind bei der Gesundheitseinschätzung wesentlich.

Ein 10-jähriges Pferd, dass mit einer durchgehenden Historie seit vielen Jahren immer sportlich gute Leistung vollbracht hat und sich bei einer aktuellen Gesundheitsüberprüfung gut präsentiert ist hinsichtlich röntgenologischer Veränderungen deutlich leichter einzuschätzen als ein junges Pferd, das noch keine oder nur wenig Arbeit unter dem Reiter absolviert hat.

So ist bei der Kaufuntersuchung nicht das Röntgenbild isoliert ein Bewertungskriterium, sondern muss als ergänzender Anteil gesehen werden um das Risikopotential im Ganzen einschätzen zu können. Dabei gilt es das Pferd insgesamt zu beurteilen, die Verwendung und die Lebensleistung mit einzubeziehen und dann die Bewertung der Röntgenbilder als ein weiteres Kriterium zu bewerten.

Kaufen oder nicht Kaufen

Diese Entscheidung muss der Käufer treffen. Dies hängt im Einzelfall von seiner individuellen Pferdeerfahrung, seiner Risikobereitschaft und auch von der Verfügbarkeit eines gleichwertigen Pferdes ab.

In der täglichen Praxis werden Pferde, die an erfahrene „Pferdemenschen“ verkauft werden, viel weniger geröntgt oder fallen nur selten wegen eines Röntgenbefundes durch „den TÜV“. Die Bewertung der vorangegangen Untersuchung hat hier einen vorrangigen Stellenwert. Auch steigt die Risikobereitschaft, mit einem Befund leben zu können dann, wenn es um ein sehr gut ausgebildetes und erfolgreiches Pferd geht. Die Zahl dieser Pferde ist trotz einer großen Zahl angebotener Pferde immer noch limitiert.

So bleibt – will man ein gutes Pferd kaufen, muss man im Einzelfall auch mit dem einen oder anderen Befund leben. Der Pferdekauf wird dadurch sicherlich nicht zu einem völlig unkalkulierbaren Risiko.

Aber es kann auch nicht das Ziel einer Kaufuntersuchung sein, viele solide Pferde aufgrund von einzelnen Röntgenbefunden als unbrauchbar einzustufen.

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