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Ältere Pferde gesund erhalten

Alte Pferde haben in der heutigen Pferdepraxis einen stetig steigenden Anteil. Früher wurde das Pferd als Arbeitstier genutzt und dann als altes Pferd „verbraucht“ geschlachtet. Die Nutzung des Pferdes hat sich in den letzten 30 Jahren vollständig verändert.

Freizeit- und Sportzwecke stehen im Vordergrund.

Das Pferd als Partner – statt als Nutzobjekt – hat heute einen komplett anderen Stellenwert. Pferde werden nicht zeitig „entsorgt“, sondern werden auch wenn nur eingeschränkt bis deutlich über 20 Jahre gehalten. Der Anteil der über 15 jährigen Pferde hat sich nach eigenen Erfahrungen und Statistiken in den letzten Jahren von rund 12 % auf heute 27% gesteigert. Ponys werden noch deutlich älter und der Anteil der Ponys in der Gruppe der 15 Jahre und älteren ist verhältnismäßig groß. Diese Statistik deckt sich mit den Zahlen anderer Pferdekliniken mit ambulantem Anteil und einem gemischten Klientel von Freizeit- und Sportreitern.

Die alten Pferde sind nicht nur zahlenmäßig eine große Gruppe, sondern benötigen auch eine höhere medizinische Betreuung.

Diese Betreuung beinhaltet nicht nur Notfallmedizin sondern auch im hohen Masse prophylaktische Gesunderhaltungsmaßnahmen. Dazu kommt, dass der Besitzer eines alten Pferdes erfahrungsgemäß zunehmend aufgeschlossener für Prophylaxemaßnahmen ist, als der aktive Reiter eines jüngeren Pferdes. Unter dem Strich ist das Arbeitsfeld für den Pferdetierarzt im Bereich des alten Pferdes eine durchaus umfassende medizinische Versorgung.

Das Pferd ist ein Lauftier – in Bewegung zu bleiben hält das Pferd jung!

Je älter ein Pferd ist, desto langsamer laufen Stoffwechselprozesse ab und die Rekonvaleszenz vor allem bei Erkrankungen der Gliedmaßen ist deutlich verlängert. Der größere Anteil der orthopädischen Pferdepatienten im Alter ist degenerativer Art.

Arthrosen, chronische Band- und Sehnenläsionen, Hufrehe und Knochendegenerationen finden wir bei fast jedem Pferd über 15 Jahre.

Das heißt nicht, dass diese Pferde nicht mehr zu arbeiten wären. Wichtig dabei ist, das „ganze Pferd“ in die Reha-Maßnahme einzubeziehen. Unterschiedliche Erkrankungen und vor allem das Aufaddieren mehrerer Befunde erfordert ein gutes diagnostisches Vorgehen und das Fingerspitzengefühl, wie – wann und wie viel Arbeit zur optimalen Regeneration oder auch nur zur Erhaltung des Gesundheitsstatus nötig sind.

Welche Erkrankungen kommen beim alten Pferd vor?

Gelenksdegenerationen – Arthrose

Pferde werden im Laufe ihres Lebens reiterlich genutzt. Zuviel Bewegung ist selten ein Problem, aber die Art und Weise der Bewegung kann deutlich verschleißend sein.

So finden wir sportspezifische orthopädische Erkrankungen bei den unterschiedlichen Disziplinen im Pferdesport. Die Gelenksbeweglichkeit wird allerdings in jeder Sportart gefordert. Vor allem an den Zehenendgelenken kommt es zu deutlichen arthrotischen Ausprägungen.

Huf-, Kron- und Fesselgelenksarthrosen finden wir vor allem an den Vordergliedmaßen. An den Hintergliedmaßen findet man häufig Gelenksdegenerationen an den Sprunggelenken.

Grundsätzlich können alle Gelenke der Gliedmaßen, aber auch im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule arthrotisch verändert sein. Degenerative Veränderungen der Gelenke haben oft multifaktorielle Gründe. Prädisponierend sind Stellungsfehler, die in Verbindung mit der Lebensleistung der Pferde zu einem punktuellen Verschleiß der Gelenke führen können. In Verbindung damit können auch genetische Faktoren, irritierende Gelenkschips (OC), aber natürlich auch traumatische Einflüsse am Krankheitsgeschehen beteiligt sein.

Bei Arthrose werden der Gelenksknorpel und der subchondrale Knochen beschädigt.

Mechanische Reibung entsteht durch minderwertige Synovia, die aufgrund einer gleichzeitigen Entzündung der Synovialmembran nur minderwertig nachproduziert wird.  Durch die chronische Entzündung der Synovialmembran kommt es zu einer folgenden narbig-bindegewebigen Organisation der Gelenkskapsel. Solche bindegewebigen Verhärtungen führen zu einer Verringerung der Gelenksbeweglichkeit. Schmerz und Bewegungseinschränkung führen wiederum zu einer reduzierten Stoffwechselaktivität im Gelenk. Ein Teufelskreislauf, der zum Teil sehr schnell ablaufen kann.

Klinisch äußern sich diese Veränderungen in einem stumpfen Gang, oft auch in Verbindung mit einem Drehschmerz und reduziertem Temperament. Die Beugewinkel, wie auch die Streckwinkel der Gliedmaßen sind reduziert. Eine seitliche Verkippung der Zehenendgelenke ist oft nur noch sehr eingeschränkt möglich.

Als wichtigste begleitende Maßnahme zur Behandlung arthrotischer Veränderung eignet sich eine optimierte Hufzubereitung. Dazu muss die Kommunikation zwischen Tierarzt und Schmied stimmen. Beide müssen in ihrem Fachgebiet Profi sein und beide müssen auch im Fachgebiet des anderen gute Sachkenntnisse besitzen. In Kooperation mit einem Hufschmied kann man beim alten Pferd mit arthrotischen Veränderungen versuchen, die Last auf die Teile des Gelenkes zu verlagern, die nicht oder nur wenig verändert sind. Wichtig ist zu erkennen, wo das Bein – der Huf – in der Lage ist kompensatorisch belastet werden zu können. Das gemeinsame Besprechen der individuellen Anatomie des Pferdebeines, der Fußungsmechanik und der Röntgenbefunde hilft.

Im Einzelfall muss ein Beschlag auch noch einmal verändert oder justiert werden. Wichtig sind vor allem beim alten Pferd die Beschlagsintervalle. Nach 6-7 Wochen sollte ein orthopädischer Beschlag spätestens erneuert werden. Die Hufzurichtung und der eventuell anzubringende Beschlag unterstützen die medizinischen Maßnahmen.

Arthrotische Veränderungen führen unter Umständen zu unterschiedlich starken Lahmheitsausprägungen.

Kontinuität der Bewegung im Vorfeld, lange Beschlagsintervalle und viele andere Faktoren können die Lahmheit spontan verstärken. Arthrose bzw. im akuten Fall die Arthritis führt zu Schmerzzuständen, die sich als Lahmheit des Pferdes zeigen.

Die medikamentelle Therapie hat das Ziel diese Schmerzen zu vermindern, damit auch die Gelenksfunktionen wieder zu verbessern, degenerative Prozesse zu verlangsamen oder aufzuhalten und die Rekonvaleszenz im Rahmen der Möglichkeiten zu fördern.

NSAIDs sind die nicht steroidalen Entzündungshemmer, die als orale Applikation beim Pferd routinemäßig eingesetzt werden.

Der Wirkstoff Phenylbutazon wird zur Behandlung von orthopädischen Schmerzzuständen gerne genutzt. Dosis: 2 x täglich 1 Gramm bei 500 KG Körpergewicht per os. Ca. 21 Tage Nachweiszeit (ADMR). Bei längerer Anwendung kann es zu Gastritiden, Leber – und Nierenschäden führen. Speziell Ponys scheinen besonders empfindlich auf Phenylbutazon zu reagieren. Bei Shetlandponys sollte auf anderes NSAIDs ausgewichen werden. Lebensmittelrechtlich darf Phenylbutazon nicht bei Pferden angewandt werden, die als Nicht-Schlachtpferde gekennzeichnet sind.

Neben dem Phenylbutazon gibt es heute verschiedene Alternativpräparate, die deutlich verträglicher sind und geringere Nebenwirkungen haben.

Das Flunixin ist ein NSAID mit antiphlogistischer Wirkung auf Schmerzzustände im Bewegungsapparat. Laut ADMR Richtlinien ca. 18 Tage Nachweiszeit. Dosis: 1 x täglich 550 mg bei einem 500 Kg Körpergewicht per os.

Meloxicam ist ein gut verträgliches NSAID mit einer kurzen Nachweiszeit. Interessant für Pferde, die noch sportlich genutzt werden. Nachweiszeit 9 Tage (ADMR). Dosis:1 x täglich 12 mg bei einem 500 Kg Körpergewicht per os.

Firocoxid ist ein selektiver COX – 2 Hemmer. Gute Wirkung osteoarthritische Erkrankungen, relativ teuer und lange Nachweisbarkeit sind die Eigenschaften dieses Wirkstoffes. Dosis: 1 x täglich  50 mg bei 500 Kg Körpergewicht.

Neben den NSAIDs könne auch Biologica als Therapeutikum zur Behandlung geringgradiger Arthrosen mit zum Teil guten Effekten benutzt werden. Teufelskralle und Ingwer sind erfahrungsgemäß wirkungsvoll, haben allerdings eine Nachweisbarkeit von 48 Stunden (ADMR).

Zur Verbesserung des Gelenksstoffwechsels werden Substanzen wie zum Beispiel Glucosaminoglycan eingesetzt, die als Futtermittel oder auch systemisch gegeben werden können.

Pferde mit eindeutigem intraartikulärem Schmerz sind lokal am effektivsten zu therapieren. Hier gibt es verschiedene medizinische Möglichkeiten.

Glucocorticoide wirken stark entzündungshemmend und führen für einige Tage bis Wochen zu einer deutlichen Lahmheitsreduktion. In Verbindung mit Hyaluronpräparaten werden diese Verbesserungseffekte noch verlängert. Hyaluron funktioniert dabei verbessernd auf die Gleitmechanik im Gelenk und hat laut unterschiedlichen Literaturangaben stimulative Effekte auf die Synovialmembran des Gelenkes und damit auf die körpereigene Synovialproduktion.

Stammzellen und unterschiedliche autologe Blutaufbereitungen werden aktuell in steigendem Maß angewandt. Dabei sollen durch aufwendig aufbereitete Blutpräparationen körpereigene Entzündungshemmer – Anti-Interleukin – die Stoffwechselsituation im Gelenk stabilisieren. Stammzellen aus Knochenmark oder Fett sollen sich im erkrankten Gelenk in Knorpelersatzzellen umwandeln und den defekten Knorpel damit ersetzen. Diese aus körpereigenen Zellen gewonnenen Präparate werden intraartikulär angewandt. Neuere Studien zeigen, dass bei der Beteiligung mehrerer Gelenke die systemische Gabe von Anti-Interleukinen deutlich positive Effekte zeigen.   

Sehnen

Sehnen sind wie beim Menschen elastische Strukturen. Diese Elastizität nimmt im Laufe des Lebens kontinuierlich ab. Außerdem verringert sich die Festigkeit der Sehnen. Damit wird die Anfälligkeit für Sehnenerkrankungen im Alter ständig größer. Die Fähigkeit Energiedepots aufzubauen wird ebenfalls weniger und geht im Alter auf Minimalwerte zurück. Die Qualität des Zwischengewebes, der extrazellulären Matrix wird ebenfalls schlechter. Das heißt, die Leistungsfähigkeit der Sehnen nimmt in toto ab.

Auch Bandstrukturen wie der Fesselträger verringern ihre Stabilität. Speziell diese Haltestruktur, die Stabilisierung der Hyperextension des Fesselgelenkes, wird beim Pferd ohne hin extrem belastet. Im Alter kommt es zu einer „Aufweichung“ und damit sehr häufig zu einer relativen Verlängerung des Fesselträgers speziell der Hintergliedmaßen.

Diese alten Pferde sind im Sprachgebrauch durchtrittig. Durch das Alter nimmt die Trainierbarkeit der Sehne ab.

Vorbeugend ist eine regelmäßige Bewegung des alten Pferdes auch hinsichtlich der Gesunderhaltung der Sehnen ein wichtiger Faktor. Lange Schrittphasen zu Beginn der Arbeit (15 – 20 Minuten) mit kurzen Trabintervallen (weitere 5 Minuten) hilft die Belastbarkeit zu verbessern und das Verletzungsrisiko zu minimieren. Speziell die oberflächliche Beugesehne zeigt im Krankheitsfall oft einen mittigen, zentralen Defekt (core lesion). Die zentralen Fasern haben die Funktion eines „Sehnenskelettes“. Die core lesions sind schmerzhaft und die gesamte Sehne schwillt deutlich an. Sie heilen langsam und die Prognose zumindest klinisch vollständig auszuheilen sinkt mit dem Alter des Pferdes und mit der Größe des Defektes.

Muskeln und Rücken

Auch die Muskulatur des alten Pferdes ist nicht mehr so leistungsfähig wie bei einem jungen. Die nachlassende Leistungsfähigkeit zeigt sich vor allem im Bereich des Rückens. Die die Brückenkonstruktion des Pferdes erhaltende Rücken- und Bauchmuskulatur verringert ihren Tonus und der Rücken sinkt ein. Diese Struktur ist für ein Pferd deutlich ermüdend.  Ähnlich wie bei einer Hängebrücke ist die Zugbelastung an den Brückenpfeilern deutlich aufwendiger als bei einer aufgewölbten Konstruktion, bei der die Last auf der Brücke auf die Brückenpfeiler drückt. Ähnlich verhalten sich die Belastungseffekte beim Pferderücken. Je besser der Pferderücken aufgewölbt ist, desto einfacher trägt er die Last des Reiters und schlussendlich auch des eigenen Körpers. Auch hier ist die beste Prophylaxe die regelmäßige Bewegung bzw. Arbeit des Pferdes.

Orthopädie und Innere

Stoffwechselerkrankungen wie EMS und Cushing sind Erkrankungen der inneren Organe. Sie haben einen Effekt auf die Anfälligkeit für Hufrehe. Einmal Hufrehe – immer Hufrehe heißt die allgemein geltende Formel. Die Grunderkrankung zu therapieren ist dafür der erste Ansatz. Therapie und eine strenge Diät sind Voraussetzungen für ein mittel- und langfristig erfolgreiches Management der Hufrehe. Zur Stabilisierung des Hufbeinträgers hilft auch hier ein unterstützender Beschlag. Regelmäßige Beschlagsintervalle sind einzuhalten.

Die orthopädischen Erkrankungen des alten Pferdes sind oft nicht grundlegend anders als die des jungen Pferdes.

Schlechtere Regenerationsfähigkeit und langsamerer Stoffwechsel bei alten Pferden führen zu einer deutlicheren Symptomatik und deutlich schlechteren Therapieerfolgen. Ein wesentlicher Teil der Arbeit mit dem alternden Pferd ist die Aufklärung des Besitzers, der es oft richtig machen möchte, aber durch die Informationsflut durch Presse, Internet u. ä. häufig völlig überfordert ist. Dies entsprechend zu steuern und zu vermitteln ist die Aufgabe des Profis – dem Tierarzt / Tierärztin.

Grundsätzlich ist das Pferd auch im Alter ein Lauftier.
Vernünftige Bewegung ist die beste Gesundheitsprophylaxe.

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