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Fohlen – Die Geburt und die ersten Lebensstunden


In der Fohlensaison stellt sich für Züchter oft die Frage nach der Beurteilung des genauen Abfohlzeitpunktes, dem korrekten Verlauf der Geburt und dem Verhalten des neugeborenen Fohlens. Dies sind wissenswerte Dinge, denn die meisten Komplikationen bei der Fohlenaufzucht betreffen die Geburt bzw. die ersten 48 Stunden danach. Für diese Fragen gibt es keine pauschalen Antworten.

Wir möchten einige Anhaltspunkte und Kriterien nennen, die es dem Stutenhalter erleichtern soll, zu beurteilen, ob der Geburtsvorgang „normal“ verläuft, oder tierärztliche Hilfe nötig ist.

Die Geburt eines Fohlens ist sicherlich nach dem letzten Deck- bzw. Besamungstermin zu errechnen. Man rechnet mit ca. 335 Tagen nach der letzten Bedeckung. Dies ist ein Richtwert, und wie es Richtwerte so an sich haben treffen sie meistens nicht zu. Die Variationsbreite ist relativ groß. Die wenigsten Fohlen kommen vor dieser Zeit auf die Welt. Ein Fohlen ist auch erst relativ spät wirklich lebensfähig. Ein dem Frühgeborenen beim Menschen vergleichbares 9-Monat-Fohlen ist nicht überlebensfähig. Fohlen die 3 Wochen vor Geburtstermin auf die Welt kommen haben nur eine sehr geringe Überlebenschance.

Um nun den wahrscheinlichen Geburtstermin etwas genauer beurteilen zu können, gibt es einige Anzeichen, die man gut beobachten sollte. Kurz vor der Geburt bilden sich an den Ausführungsgängen der Zitzen der Stute Harztropfen. Sie sehen aus wie Honigtropfen und sollen das Ablaufen der sich nun bildenden Erstmilch, der Kolostralmilch, verhindern. Gleichzeitig kann man oft ein gering gradiges nach außen drehen der Zitzen beobachten. Die Beckenbänder lockern sich innerhalb der letzten Tage der Trächtigkeit. Alte Züchter sagen „der Bauch fällt“. Tatsächlich wirken diese Stuten im Rückenbereich spitzer und der Bauch hängt jetzt mehr nach unten. Die Flankenpartie, die Körperregion vor den Beckenknochen, wirkt eingefallen. Im Bereich der Scham verliert die Haut ihre Fältelung. Die Schleimhaut wird nun extrem gut durchblutet und verändert ihre Farbe von blass rosa nach kräftig rot.

Kurz vor der sichtbaren Geburt des Fohlens beginnt das Öffnungsstadium. Die Stute verhält sich oft über mehrere Stunden unruhig. Manche Stute zeigen die gleichen Anzeichen wie bei einer milden Kolik. Sie schlagen mit dem Schweif, legen sich hin und stehen gleich danach wieder auf. Sie setzen auch häufiger Kot ab. Während dieser Zeit kommt es im Bereich der weichen Geburtswege zu einer Öffnung bzw. Dehnung. Um die Stute jetzt im Genitalbereich besser beobachten zu könne, und die eventuelle Hilfestellung bei der eigentlichen Geburt zu erleichtern, hat es sich bewährt, den Schweif der Stute einzubinden. Das Säubern des Schambereiches versteht sich von selbst.

Die zweite Phase der Geburt ist die Austreibungsphase. Sie beginnt mit dem Platzen der Fruchtblase. Der Stute laufen plötzlich mehrere Liter einer aromatisch riechenden hellgelblichen Flüssigkeit aus der Scheide. Die Farbe und der Geruch lassen die Unterscheidung zum Urinieren leicht zu. Nun folgt das Erscheinen der beiden gestreckten Vorderbeine und dem darauf liegenden Kopf des Fohlens. Die Austreibungsphase sollte nicht länger als 30 Minuten dauern.

Das Fohlen fällt bei der stehenden Stute in eine trockene, gut mit Stroh gepolsterte Box oder auch auf die Wiese. Die meisten Stuten jedoch liegen während des Geburtsvorganges und bleiben oft auch nach der Geburt für einige Minuten liegen.

Bei dem Neugeborenen sollte man auf jeden Fall darauf achten, dass die Eihäute nicht über den Nüstern liegen. Fohlen können daran ersticken. Der Nabel reißt in der Regel ab. Falls nicht, sollte man ca. 8 Minuten warten und erst dann den Nabel an einer ca. 5 cm von der Bauchdecke entfernten Stelle abdrehen. Wichtig ist die Nabeldesinfektion mit einer Jodlösung! Diese sollte während der ersten Tage öfters wiederholt werden. Eine Nabelkontrolle über die ersten 10 Lebenstage sollte unbedingt erfolgen.

Die Stute tritt nach vollendeter Austreibung in die Nachgeburtsphase. Auch jetzt kann die Stute kolikartige Symptome zeigen. Diese Anzeichen werden durch die Nachwehen verursacht. Die Nachgeburt wird nun abgestoßen. Dieser Vorgang sollte spätestens 2 Stunden nach Geburt abgeschlossen sein. Wichtig ist auch, die Nachgeburt auf ihre Vollständigkeit zu prüfen. Ein Nachgeburt Verhalten bei der Stute kann schwerwiegende Vergiftungserscheinungen bis hin zur Hufrehe verursachen.

Die Entwicklung des jungen Fohlens kann an verschiedenen Verhaltensweisen recht gut beurteilt werden:

  • Innerhalb der ersten 2 Minuten sollte es in Brustlage kommen und ruhig und regelmäßig atmen. Die Maulspalte sollte geschlossen sein. Fohlen, die auf der Seite liegen und unregelmäßig und angestrengt eventuell sogar durch das Maul atmen, sind ernst zu nehmen.
  • Innerhalb der ersten 30 Minuten sollte das Fohlen Aufstehversuche unternehmen. Fohlen, die unbeteiligt liegen bleiben oder sogar in Seitenlage krampfen sind nicht in Ordnung. Tierärztliche Hilfe ist dringend angezeigt .
  • Innerhalb der ersten 2 Stunden sollte das Fohlen relativ sicher stehen. Ungenügende Aufstehversuche oder unbeteiligtes Liegenbleiben sind nicht die Regel.
  • Innerhalb der ersten 2 Stunden sollte das Fohlen auch den Kontakt zur Mutter suchen. Fohlen, die z.B. in die Ecken des Stalles laufen und sich nicht um ihre Mutter bemühen sind in ihrem Verhalten abnormal.
  • Möglichst innerhalb der ersten 3 Stunden sollte das Fohlen an der Mutter gesäugt haben. Zeiten bis 6 Stunden sind noch zu tolerieren. Die Aufnahme der Erstmilch ist sehr wichtig, da diese die Immunkörper auf das Fohlen übertragen. Die Aufnahme der Immunkörper über die Dünndarmschleimhaut des Fohlens sinkt mit der Zeit und stoppt nach ca. 12 Stunden.
  • Innerhalb der ersten 6 Stunden sollten die Fohlen koordiniert Stehen. Schwerfälliges Aufstehen, taumeln oder sonstige unkoordinierte Bewegungen sind jetzt nicht mehr zu tolerieren.
    Der Körpertemperatur sollte nach den ersten 6 Stunden zwischen 38,2° und 39,0° liegen. Bedenkliche Abweichungen von der Norm wären Temperaturen über 39,2° oder unter 38,0°.
  • Innerhalb der ersten 8 Stunden nach der Geburt sollte das Mekonium (Darmpech) abgegangen sein. Der Kot sieht nach dem Abgang des Darmpechs hellgelb und dünnbreiig aus. Ist das Fohlen zunehmend unruhig und presst es ständig, sollte der Tierarzt zu Hilfe gerufen werden. Eine prophylaktische Gabe eines Klistiers, vor allem bei Hengstfohlen, direkt nach der Geburt hat sich sehr bewährt.

12-18 Stunden nach der Geburt sollte zur Bestimmung der Konzentration von Antikörpern im Blut des Fohlens ein Immuntest (IgG-Antikörpertest) durchgeführt werden. Dies ist eine Kontrolle, ob das Fohlen genügend und qualitativ ausreichend mit Immunsubstanzen versorgt ist. Diese Immunkörper sind für das Fohlen lebenswichtige Abwehrstoffe gegen die Keime in der Umgebung. Fohlen werden ohne Schutzsubstanzen geboren und müssen sie über die Erstmilch – Biestmilch – Kolostralmilch – aufnehmen. Rechtzeitige Milchaufnahme ist daher von lebenserhaltender Bedeutung! Die Darmschranke ist nur während der ersten 12 – 18 Stunden für die Antikörper passierbar. Hat eine Stute keine oder nur wenig Milch, muss Ersatzkolostrum beschafft werden. Stutenhalter, die mehrere Zuchtstuten halten, sollten bei älteren Stuten, die in der Regel viel Kolostralmilch haben, Milch abmelken und für solche Fälle einfrieren.

Hat ein Fohlen im IgG-Test zu niedrige Werte, so sollte eine Bluttransfusion durchgeführt werden. Alternativ können auch Seren gespritzt werden, die jedoch keinen umfassenden Schutz vermitteln.

Wichtig ist die Injektion eines passiven Tetanusserums für Fohlen und Mutterstute, falls die Mutter nicht geimpft ist.

Die Entwurmung der Stute sollte noch vor der Geburt des Fohlens erfolgen. Die Fohlen infizieren sich mit Wurmlarven über die Milch. Aus diesem Grunde ist eine entsprechende Vorsorge unbedingt durchzuführen. Nach der Geburt sollte das Fohlen zwischen dem 4. und 6. Tag das erste mal entwurmt werden. Danach im Laufe der ersten 6 Monate alle 4 Wochen und anschließend bis zu einem Jahr alle 2 Monate. Eine regelmäßige Entwurmung verhindert Koliken und verbessert die Voraussetzungen für eine gute körperliche Entwicklung der Fohlen.

Aktive Immunisierung – Impfung – ist bei Fohlen ab dem 4. Lebensmonat durchführbar.

Trotz all dieser Eventualitäten ist es eher die Regel, dass Fohlen komplikationslos geboren werden und sich auch unproblematisch entwickeln. Dieser Artikel soll nicht den Sinn haben, Sie als Züchter zu demotivieren, sondern Ihnen helfen, kranke Tiere möglichst früh zu erkennen und entsprechende Gegenmaßnahmen einzuleiten.

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