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Genetische Disposition und Möglichkeiten einer sinnvollen Prophylaxe

Pferdekäufer stellen immer höhere Ansprüche an die Reiteignung unserer Pferde. Nicht nur bei den Turnierpferden, sondern auch bei Freizeitpferden steigen die Anforderungen an Qualität der Leistung, Exterieur, Charakter und Temperament. Neben diesen Leistungsmerkmalen ist die physische Belastung der Pferde ständig größer geworden. Mehr Leistungsvermögen erhöht die Organbelastung. Turnierpferde werden durch Hochleistungstraining, häufige Transporte und Turnierteilnahmen in ihrer Konstitution extrem gefordert. Dazu kommt eine oft mangelhafte Haltung, unsachgemäße Fütterung und unregelmäßige Bewegung der Pferde.

Halten die von uns heute gezüchteten und aufgezüchteten Pferde diese gestiegene Belastung überhaupt aus? Die tägliche Praxis zeigt, dass dies nicht der Fall ist. Die Tiermedizin hat sich in den letzten 10 Jahren immens weiterentwickelt. Viele Pferde können heute wieder „repariert „ werden. Nur kann es nicht das Ziel sein, Pferde zu züchten um sie nachher zu therapieren! Mein Vortrag soll einige der gesundheitlichen Probleme aufzeigen und einen Ansatz zur Verbesserung der aktuellen Situation vermitteln. Nach verschiedenen Statistiken sind die gesundheitlichen Probleme bei Pferden folgendermaßen verteilt:

61 – 76% Bewegungsapparat

16 – 20% Atmungsapparat

10 – 12% Verdauungsapparat

05 – 07% Kreislaufapparat

 

In diesem Beitrag wird der Bewegungsapparat des Reitpferdes behandelt. Am häufigsten auftretende Krankheiten sind:

  • Hufrolle (Hufrollenentzündung)
  • Arthrose
  • Gleichbeinerkrankungen
  • Spat
  • OCD (Osteochondrose dissecans)

 

Von besonderem Interesse für züchterische Entscheidung ist der Grad der Erblichkeit bzw. die Beeinflussbarkeit durch Fütterung und Haltung.

Hufrollenentzündung

Die Hufrollenentzündung oder Podotrochlose ist ein häufiges Problem in der Pferdezucht verschiedenster Rassen. Mit der Zunahme des Reitsportes hat dessen wirtschaftliche Bedeutung in der Pferdemedizin eine vorrangige Bedeutung eingenommen.

Hufrollenentzündung ist eine komplexe Erkrankung des Hufgelenkes, der tiefen Beugesehne, der Sehnenscheide und des Strahlbeines. Sie äußert sich durch stumpfen Gang bzw. schleichende Lahmheit in der Regel nur an den Vorderbeinen. Diese Erkrankung ist schon seit der Domestizierung des Pferdes bekannt und wird schon 1829 von Turner das erste Mal in der Literatur erwähnt. Die Lahmheit lässt sich durch die Beugeprobe der Zehengelenke deutlich verstärken.

Röntgenologisch sind Veränderungen an der Sehnengleitfläche und oberen Rand des Strahlbeins zu erkennen. Am bekanntesten sind die Veränderungen am vorderen Rand des Strahlbeines, an dem die Gefäßkanäle und deren Veränderungen beurteilt werden können. In fortgeschrittenen Fällen sind Verknöcherungen der Bänder des Strahlbeines oder/und Knochenzubildungen an den Ansatzstellen dieser Bänder zu sehen.

Über die Vererblichkeit von Hufrollenentzündung ist sehr viel gearbeitet worden. Es gibt verschiedene Aussagen über den Grad der Vererblichkeit. Sicher ist, dass eine mehr oder weniger starke Veranlagung vererbt wird und diese bei der Hufrollenentzündung nur unwesentlich durch Aufzuchtbedingungen beeinflusst werden kann.

Sicher ist, dass andere Einflüsse wie z.B.:

  • Alter
  • Anteil an Vollblut
  • Stockmaß
  • Bewegung
  • Bodenqualität
  • Fütterung

keinen Einfluss auf die Erkrankungsanfälligkeit haben.

Fehlstellungen wie

  • flache Hufe
  • ungenügende Hufkorrektur

können dagegen die Hufrollenentzündung beeinflussen.

Empfehlung für Züchter und Pferdekäufer: Bei deutlichen röntgenologischen Veränderungen steigt das Lahmheitsrisiko bis zu 75 %. Die Vererblichkeit reicht je nach Autor von schwach bis mittelgradig. Dies hieße für Züchter, möglichst Stuten mit hochgradigen Befunden nicht als Zuchtstuten einzusetzen.

Arthrose

Unter dem Begriff Arthrose werden die chronisch deformierenden Gelenkerkrankungen zusammengefasst. Arthrose ist häufig durch Fehlstellungen der Gliedmaßen bedingt oder wird zumindest durch diese begünstigt. Arthrose ist von dem klinischen Erscheinungsbild der Hufrollenentzündung im frühen Stadium ähnlich. Es ist eine schleichende Erkrankung. Aus einer zuerst akuten Entzündung des betroffenen Gelenkes entwickelt sich eine chronische Gelenksentzündung. Diese Art von Lahmheit kann sowohl an den Vorder- als auch an den Hinterbeinen auftreten. Röntgenologisch sind diese Gelenksveränderungen durch Abnutzungen der Gelenkfläche und sog. knöchernen Randwulsten an den Gelenksrändern zu erkennen. Bei fortgeschrittener Erkrankung kommt es zu einer Schalenförmigen Zubildung um den Gelenksrand, der dann auch als Fesselgelenks-, Krongelenks- und Hufgelenksschale bezeichnet wird.

Fehlstellungen der Gliedmaße bedingen durch die ungleiche Zugbelastung der seitlichen Haltebänder und der Ansatzstellen der Gelenkskapseln das Entstehen von Arthrose. Hier entstehen Knochenhautreizungen und anschließend Verknöcherungen. Im weiteren Verlauf dieser Erkrankung kommt es zu mechanischem Abrieb des Gelenkknorpels an der Stelle hohen Druckes und damit zum Freilegen des knöchernen Gelenksfläche. Die fehlende knorpelige Schutzfläche bedingt einen Scheuermechanismus, der nicht mehr reparabel ist. Arthrose wird nach Untersuchungen der Erblichkeit nicht genetisch weitergegeben. Sicher ist, daß fehlgestellte Pferde ein hohes Maß an Anfälligkeit für Arthrose haben. Für Züchter ist es wesentlich, bei der Aufzucht auf

Fehlstellungen zu achten, bzw. diese im jugendlichen Alter durch entsprechende Korrektur der Stellung weitgehend zu beeinflussen. Pferdekäufern ist von stark verstellten Pferden grundsätzlich abzuraten. Ausgewachsene Pferde sind nicht mehr in ihrer Beinstellung zu korrigieren.

Gleichbeinerkrankungen

Als Gleichbeinerkrankung werden alle degenerativen und chronisch verlaufenden Prozesse an den Gleichbeinen, den Gleichbeinbändern und der tiefen Beugesehne bzw. der gemeinsamen Beugesehnenscheide bezeichnet. Pferde mit einer Gleichbeinlahmheit sind im Allgemeinen in weichem Boden mehr lahm. Besonders bei Trabverstärkungen und engen Wendungen zeigt sich diese Lahmheit. Gleichbeinerkrankungen treten häufig an den Vorderbeinen, kommen allerdings vor allem bei Dressurpferden auch an den Hinterbeinen vor.

Röntgenologisch sind Gleichbeinerkrankungen an unscharf begrenzten Rändern, unscharf abgegrenzten Blutgefäßen und blasser, poröser Knochenstruktur erkennbar. Der eigentliche Schmerz tritt dann durch den Reibepunkt zwischen der rauen Gleichbeinfläche und der tiefen Beugesehne auf. Die Beugesehnen-scheide befindet sich direkt in diesem sensiblen Bereich und kann sekundär erkranken. Unter Umständen kann es auch zu Reibepunkten im Bereich zwischen Gleichbein und Röhrbein kommen.

 

Gleichbeinerkrankungen werden nur unwesentlich durch Vererbung beeinflusst. Bei einigen Untersuchungen ist eine positive Beziehung zwischen der Huf-rollenentzündungen und der Gleichbeinerkrankungen festgestellt worden. Wichtig zur Vermeidung der Defekte an Gleichbeinen sind gute Aufzuchts-bedingungen. Auch bei dieser Erkrankung ist die regelmäßige Korrektur vor allem des Zehenwachstums zu beachten. Weiterhin ist offensichtlich, dass übergewichtige Pferde unverhältnismäßig häufig an den Gleichbeinen erkranken.

Spat

Spat ist eine Erkrankung der straffen Sprunggelenke. Zusammen mit der Hufrollenentzündung ist sie die häufigste Beinerkrankung der Reitpferde. Spat ist schon seit langem bekannt. Der Stallmeister Kaiser Friedrich II hat die klinischen Symptome schon sehr detailliert beschrieben. Spat ist eine Arthrose im Bereich der straffen Sprunggelenke. Wie auch bei der Arthrose der Zehengelenke ist der Verlauf der Erkrankung schleichend. Erste Symptome werden häufig nicht als Lahmheit erkannt. Bei vielen Pferden äußert sich die Krankheit durch Gehunlust, Rückenbeschwerden und allgemeinem Rittigkeitsverlust. Diese Erkrankung tritt in der Regel beidseits auf, so dass auch aus diesem Grund eine Lahmheit erst sehr spät als solche erkannt wird.

Die ersten Lahmheitssymptome treten in der Wendung und bei versammelnden Lektionen auf. Die Beugeprobe der Sprunggelenke, deshalb auch als „Spatprobe“ bekannt, verläuft häufig dramatisch positiv. Röntgenologisch fällt die Erkrankung durch die Verengung der kleinen straffen Gelenksspalten auf. Bei jungen Pferden entsteht dies durch den Verlust des Gelenksknorpels. Durch Alterung müssen diese Befunde bei älteren Pferden dem Alter entsprechend relativiert werden. Bei fortgeschrittener Erkrankung kommt es vor allem am vorderen und inneren Gelenksrand zu Reizung der Knochenhaut und/oder der Ansatzstelle der „Spatsehne“. Diese knöchernen Auftreibungen sind häufig auch schon von außen sichtbar oder zumindest fühlbar. Fehlstellung der Hinterbeine, vor allem die Kuhhessigkeit (X-Beine) begünstigt das Auftreten von Spat. Pferde mit dieser Fehlstellung verschleißen vermehrt durch ungleiche Druckverhältnisse des Sprunggelenkes. Auch kommt es zu einer übermäßigen Zugbelastung der äußeren Gelenksbänder und der Spatsehne. Diese Verknöchern im Verlauf der Erkrankung und sind danach nicht mehr zu regenerieren.

Bei Spat war bei einer holländischen Untersuchung eine mittelgradige Vererbungstendenz zu sehen. Auch einige deutsche konnten ähnliche Ergebnisse bringen. Allerdings ist bei Spat auch die ausgewogene Ernährung in der Aufzucht sehr wesentlich. Pferde, bei denen eine optimale Ernährung während der Wachstumsphase stattgefunden hat, hatten deutlich weniger Probleme mit dieser Erkrankung. Grundsätzlich sollten Züchter mit an Spat stark erkrankten Stuten nicht züchten. Aufzüchter sollten auch hier auf die Stellung achten, bzw. diese so früh wie möglich korrigieren. Eine ausgewogene Ernährung, vor allem in Bezug auf die Knochenreifung sollte gegeben werden (Ca:P-Verhältnis und Vitaminversorgung beachten).

Osteochondrosis Dissecans (OCD)

Diese Erkrankung ist eine Stoffwechselerkrankung des reifenden Knorpels in den großen Gelenken. Hauptsächlich betroffen sind Sprung-, Knie-, Fessel-, Carpal-, Schulter- und Hüftgelenke. Viele dieser Pferde gehen zuerst nicht lahm. Äußerlich sind diese Gelenke durch vermehrte Füllung auffällig.

Bei der Beugeprobe der befallenen Gelenke sind diese in der Regel positiv. Eine Lahmheit stellt sich erst bei reiterlicher Belastung ein. Aktuelle Untersuchungen beschäftigen sich mit OCD in den kleinen Zwischenwirbelgelenken der Brustwirbelsäule. Viele unserer heutigen Sportpferde zeigen Rückenprobleme. Es ist anzunehmen, dass die Osteochondrose dissecans auch hier präsent ist.

Röntgenologisch sind unregelmäßige Gelenkflächen, kleine Einbrüche in der Knochenlage im Gelenksbereich und kleine bis Walnussgroße, freie Gelenkskörper (Gelenksmäuse) zu finden. Die tatsächliche Größe ist schwer abzuschätzen, da die Randbereiche nicht unbedingt vollständig knöchern durchgebaut sein müssen.

OCD ist im Verhältnis zu den anderen beschrieben Erkrankungen noch sehr „jung“. Die Herkunft von freien Gelenkskörpern war lange durch traumatische Einflüsse erklärt worden. Die Erkenntnis, dass es sich hier um eine Stoffwechselerkrankung handelt, hat in den letzten Jahren viele Untersuchungen auf diesem Bereich gefordert. Wissenschaftler, vor allem in Norwegen, Schweden, Holland und Deutschland, stellten deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Pferderassen fest.

Eine Erblichkeit ist bei allen Untersuchungen festgestellt worden. Aber auch diese Erkrankung ist Ernährungsphysiologisch sehr deutlich zu beeinflussen. Ein ungünstiges Mineralstoffverhältnis, sowie eine zu Eiweiß- und Energiereiche Aufzucht bedingen diese Erkrankung sehr wesentlich.

Für Züchter gilt, Stuten mit OCD nur mit sehr gut ausgesuchten Hengsten zu decken und bei der Aufzucht besonders auf die Ernährung der Jungtiere zu achten. Pferdekäufer sollten sich mit ihrem Tierarzt beraten und von Fall zu Fall das Risiko abschätzen. Sicher ist, dass ein älteres Pferd mit einem kleinen, runden Chip z.B. im Fesselgelenk ein wesentlich geringeres Risiko hat als ein junges Pferd mit einem entsprechend großem Chip z.B. im Knie. Auch spielt bei der Beurteilung der Verwendungszweck des Pferdes eine nicht unerhebliche Rolle. Die doch sehr gut begründbare Vermutung, dass OCD in den kleinen Zwischenwirbelgelenken auftreten kann, hat als Konsequenz, dass junge, unreife Pferde nicht zu früh und zu stark im Rücken belastete werden dürfen. Die Reitweise hat hier einen wesentlichen Einfluss auf die langfristige Belastbarkeit des gesamten Rückens.

Zusammenfassend ist festzuhalten:

Die Vererbung von hier beschriebenen Krankheiten konnte in keinem Fall als eindeutig bezeichnet werden. Es kann aber hinsichtlich des Risikos folgende Schlussfolgerung gezogen werden:

  1. Hufrollenentzündung

Es besteht eine geringe bis mittelgradige Vererblichkeit. Röntgenologisch als stark einzuteilende Strahlbeinveränderungen z.B. bei Ankaufsuntersuchungen sind auch ohne bereits bestehende Lahmheit mit einem deutlich erhöhten Lahmheitsrisiko behaftet.

  1. Arthrose

Direkte Vererblichkeit dieser Erkrankung ist zu vernachlässigen. Wichtig ist die Beurteilung von Stellungsfehlern. Starke Stellungsfehler begünstigen die Ausbildung einer Arthrose. Frühe Korrektur von Stellungsanomalien ist die beste Prophylaxe.

  1. Gleichbeinerkrankung

Genetisch nicht relevant. Lange und schmale Hufe begünstigen diese Erkrankung. Hufkorrektur ist ein wichtiges Instrument zur Vermeidung von Gleichbeinschäden. Besonders befallen sind übergewichtige Pferde. Dressurpferde sind relativ häufiger befallen als andere Pferde.

  1. Spat

Spat ist bedingt vererblich. Hier spielt vor allem die X-beinigkeit eine wesentliche Rolle. Durch unphysiologische Ernährung und starke Belastung kommt es bei prädisponierten Pferden sehr schnell zu einer Erkrankung. Hochgradig an Spat erkrankte Stuten nicht unbedingt zur Zucht verwenden. Vorsicht bei Gehunlustigen und Rückenempfindlichen Pferden. Dies ist häufig ein erstes Zeichen z. B. für Spat.

  1. Osteochondrose dissecans (OCD)

Eine durch Vererbung sicherlich beeinflussbare Erkrankung. Wichtiger bei dieser Erkrankung ist jedoch die ausgewogene Ernährung im Jungendalter. Zu stark im Wachstum getriebene und zu dick gefütterte Pferde haben eine deutlich höhere Anfälligkeit für OCD als andere. Das Ca:P – Verhältnis sollte in der Ernährung besonders beachtet werden.

Die anatomischen Vorrausetzungen für langfristige Belastbarkeit:

  • symmetrische, breit angelegte Hufe, die im Sinne der Zehenachse verlaufen
  • Fesselbein mittlerer Länge mit ca. 45 % Neigung
  • trockenes Fesselgelenk
  • stabiles Röhrbein, gut eingeschient
  • ausgeprägtes Vorderfußwurzelgelenk
  • breit angelegte und schräge Schulter
  • korrekte Stellung Vorderbein
  • gut gewickeltes, korrektes Hinterbein
  • leicht geschwungener, nicht zu langer Rücken
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