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Narkoserisiko – besonders bei Friesen


Im Laufe eines Pferdelebens kommt es zum Teil häufiger vor, dass chirurgische Versorgung notwendig wird; Hengste werden kastriert, kompliziertere Wunde vernäht, Zähne gezogen, Koliker operiert und vieles mehr. Ein chirurgischer Eingriff macht eine vorausgehende Anästhesie beim Pferd notwendig. Die unterschiedlichen Temperamente und Körpermassen der Pferde besitzen einen großen Einfluss auf den Narkoseablauf und die Dosierung der dazugehörenden Pharmaka.

Die Narkoseproblematik des Friesenpferdes ist immer wieder ein heiß diskutiertes Thema.

Dieser Artikel soll einige Aufklärung zur Narkose beim Pferd, im Speziellen beim Friesen, geben und die Risikobeurteilung erleichtern.

Definitionen:

Unter Anästhesie/Narkose versteht man die Unempfindlichkeit gegenüber Schmerz, Temperatur und Berührung.

Hervorgerufen wird eine Anästhesie durch:

Lokalanästhetika, die nur eine bestimmtes Körpergebiet betäuben, aber das Bewusstsein des Patienten erhalten bleibt

oder durch

Narkotika

Für den Begriff Narkose gibt es auch andere Synonyme wie Vollnarkose, Allgemeinnarkose und Anästhesie. Die Narkose bezieht sich auf den gesamten Organismus und stellt einen reversiblen Zustand dar. Sie beinhaltet die Hypnose, die sich in erlöschtem Bewusstsein und erloschener Abwehrfähigkeit äußert.

Die Merkmale einer Narkose sind Bewusstlosigkeit, Muskelerschlaffung und Herabsetzung der Reflexe. Zusätzlich zu einer Narkose muss ein Analgetikum gegeben werden, ein Medikament, das die Schmerzempfindung herabsetzt; ohne ein Analgetikum ist die Narkose nicht schmerzlos; die Patienten schlafen zwar und können nicht weglaufen, aber das vegetative Nervensystem reagiert auf Schmerzen durch Blutdruckerhöhung und Herzfrequenzsteigerung.

Die Allgemeinnarkose besteht aus verschiedenen Narkosestadien, die eigentlich nur bei der klassischen Äthernarkose deutlich erkennbar sind.

Stadien der Anästhesie:

  1. Analgesie Trübung Schmerzempfinden und Bewusstsein
  2. Exzitation Erregung, Erbrechen, Zappeln
  3. Toleranz erwünschtes Operationsstadium, Hemmung der Zentren im Großhirn und Rückenmark, Reflexminderung
  4. Asphyxie Lähmung der vitalen Zentren, Atemstillstand, Kreislaufversagen

Bei den heutigen Narkotika wird versucht, das Stadium 3=Toleranzstadium rasch zu erreichen, um die unangenehmen Vorstadien für das Tier so kurz wie möglich zu halten.

Heute kombiniert man Medikamente, um bei flacher Narkosetiefe das Toleranzstadium zu erreichen; diese Kombination der Medikamente senkt das Risiko für den Patienten erheblich und spart Narkotika ein; außerdem ist die Aufwachphase wesentlich kürzer und für das Pferd angenehmer.

Welche Arten von Vollnarkosen stehen heute zur Verfügung?

Man benutzt Kombinationsnarkosepräparate, da es eigentlich kein Medikament gibt, das alleine alle Anforderungen einer Narkose (Hypnose, Analgesie, Muskelrelaxans, angenehmes Aufwachen) erfüllt. Prinzipiell unterscheidet man zwischen Injektions- und Inhalationsnarkose:

Injektionsnarkose:        Gabe des Medikamentes direkt in die Blutbahn. Die Narkose tritt entsprechend der Art des Medikamentes relativ schnell ein, erreicht Narkosetiefe und flacht wieder ab. Der Wirkungseintritt erfolgt nach 1⁄2 – 1 Minute. Der Nachteil ist, dass diese Narkoseform nur schlecht steuerbar ist.

Inhalationsnarkose:      Ein gasförmiges Narkosemittel wird zusammen mit Atemluft (Sauerstoff und Stickstoff) in den Organismus mittels eines Tubus (Schlauch in der Luftröhre) gebracht und gelangt nach dem Einatmen über den Blutweg zum zentralen Nervensystem. Der Wirkungseintritt hängt von der Atemtiefe ab. Diese Narkoseform ist sehr gut steuerbar und wirkt sich auch am schonendsten auf den Patienten aus. Natürlich ist ein größerer apparativer Aufwand=Narkosegerät notwendig.

Da das Pferd ein Fluchttier und Lauftier ist, wirkt sich ein schnelles und sicheres Ablegen und auch Wiederaufstehen positiv auf den gesamten Narkoseverlauf aus. Unterschiedliche Temperament und die unterschiedliche Körpermasse einen großen Einfluss auf die Dosierung der Pharmaka und die Anästhesie-technik.

Die Pferde sollten für eine Operation sorgfältig vorbereitet werden; dazu gehören rechtzeitiger Futterentzug, Entfernen aller Hufeisen, eine vollständige Allgemeinuntersuchung vor allem des Kreislaufapparates. Während der Dauer einer Narkose ist die korrekte Lagerung und angemessene Polsterung von Kopf, Schulter und Hüfte sehr wichtig. Herz- und Kreislauf, als auch die Atemtätigkeit wird hierdurch entlastet. Außerdem werden die Druckverhältnisse im Muskelbereich besser verteilt.

Bei der Narkose von Friesenpferden können einige Fakten zu Problemen führen:

  1. Die Masse des Tieres ist wesentlich, die Friesen zählen zu den schwereren Pferderassen.
  2. Ihre Gelassenheit in Bezug auf die Aufwachphase, die Pferde liegen relativ lange.
  3. Ihr verlangsamter Stoffwechsel im Vergleich zu anderen Warmblütern und Vollblütern; Medikamente werden langsamer verstoffwechselt und aus dem Organismus ausgeschieden.
  4. Langes Liegen in Rücken- oder Seitenlage beeinträchtigt Atmung und Kreislauf, durch das Körpergewicht der Friesenpferde besteht eine noch größere Beeinträchtigung
  5. Narkoseverträglichkeit ist auch abhängig von Alter, Trainingszustand und Grund zur Operation.

Manche Pferde erlangen nach einer Operation zwar das Bewusstsein wieder, haben aber Schwierigkeiten aufzustehen. Bei diesen Patienten besteht die Gefahr einer Myositis=Muskelentzündung.

Die klinischen Anzeichen reichen von geringer Lahmheit über Muskelzittern, Rückenverkrümmung bis zum Unvermögen aufzustehen. Schwerere Pferderassen neigen nach Operationen zu akuter Muskeldegeneration, bedingt durch das Niederlegen während der Narkose. Dabei werden vor allem die Rücken- und Kruppenmuskulatur befallen.

Zusätzlich kann es auch zu einer Entzündung der langen Rückenmuskeln kommen, die sich durch eine derbe und schmerzhafte Schwellung des Rückens vom Widerrist bis zum Becken und insgesamt in einer steifen Körperhaltung äußert.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass bei Friesenpferden aufgrund ihres Temperamentes und ihrer Körpermasse die Narkosedurchführung besonderer Sorgfalt verlangt. Ein Narkoserisiko besteht bei jedem Pferd grundsätzlich. Die genaue Untersuchung vor der Narkose, sowie die fachgerechte Durchführung während der Narkose sind heute ein allgemeiner Standard. Auch sind die zur Verfügung stehenden Präparate erheblich sicherer als noch vor einigen Jahren. Vor- und Nachteile ergeben sich aus jeder Narkoseform und es bleibt dem entsprechenden Tierarzt in seiner Beurteilung überlassen, welche Narkose in welcher Situation er auswählt.

Nach unserer Erfahrung ist das Narkoserisiko des Friesenpferdes unter Berücksichtigung der oben beschriebenen Umstände nicht wesentlich gegenüber der Narkose des Warmblüters erhöht.

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