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Wobblersyndrom

Ein Krankheitsbild mit vielen Ursachen

Der Begriff Wobbler-Syndrom oder spinale Ataxie taucht immer wieder im Zusammenhang mit Berichten über oftmals tragische Krankheitsfälle beim Pferd auf. Im Folgenden wollen wir daher das Krankheitsbild aus Sicht der Tiermedizin beleuchten und dem Pferdehalter und -züchter näherbringen.

Die Definition des Krankheitsbildes

Tiere, die Anzeichen einer Ataxie, einer Rückenschwäche oder einen spastisch gestörten Bewegungsablauf zeigen, werden in der Veterinärmedizin als „Wobbler“ bezeichnet. Der medizinische Terminus „Ataxie“ leitet sich von dem griechischen Begriff „ataxia – die Unordnung“ ab und bezeichnet im Allgemeinen “das Auftreten unzweckmäßiger Bewegungen und Koordinationsstörungen ohne Beeinträchtigung der eigentlichen Muskelfunktionen”.

Einfacher ausgedrückt versteht man darunter eine Störung der geregelten Bewegungsabläufe des Organismus.

Wie erkennen wir als Pferdehalter ein ataktisches Tier?

Der Begriff „Koordinationsstörung“ steht bei dieser Fragestellung im Mittelpunkt. Ataktische Pferde zeigen häufig dann Schwierigkeiten, wenn der Bewegungsablauf besondere Anforderungen an die Koordination stellt.

  • Sie lassen sich nicht oder nur unter Schwierigkeiten rückwärtsrichten,
  • meiden stark abfallendes Gelände,
  • neigen zum Stolpern und Stürzen, insbesondere bei unebenen Bodenverhältnissen sowie engen Wendungen und
  • zeigen häufig schon beim Führen im Schritt einen auffallend schwankenden, breitbeinigen, wie “betrunken” wirkenden Gang.

Allgemeine Entstehungsursache

Die auftretenden Koordinationsstörungen betreffen vor allem den Bereich der Hinterhand. Dennoch entstehen Ataxien nicht direkt im Gliedmassenbereich, wie man von der reinen Betrachtung her annehmen könnte. Vielmehr handelt es sich in der Regel um Schädigungen oder anderweitige Beeinträchtigungen des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark). Die durch die Sinnesorgane (Auge, Ohr, Gleichgewichts- und Tastsinn) eingehenden Umwelteinflüsse werden fehlerhaft von den Nervenbahnen weitergeleitet. Die Muskulatur des Körpers erhält dadurch falsche oder „unsinnige“ Befehle, so dass die Bewegungen der Tiere unkoordiniert erscheinen.

Krankheitsursachen im Einzelnen

Zunächst erwähnt seien die klassischen Ataxie-Erkrankungen. Diese entstehen durch eine dauerhafte Einengung des Wirbelkanals, wodurch das darin befindliche Rückenmark gequetscht wird. Dieses „Wobbler-Syndrom im engeren Sinne“ tritt vor allem bei schnell wachsenden, jungen Pferden (i.d.R. im Alter unter vier Jahren) auf. Häufig betroffen sind leichte, blütige Pferde. Dabei scheint das schnelle Wachstum Fehlentwicklungen der Halswirbel und ihrer Gelenke sowie degenerative Gelenkserkrankungen zu begünstigen.

Plötzliche Symptome einer Ataxie treten häufig im Zusammenhang mit Berichten über Stürze oder ähnliche Traumen auf. Dadurch hervorgerufene Gewebsschwellungen oder Blutergüsse im Rückenmarksbereich können die Nervenbahnen irritieren und die Impulsübertragung und -weiterleitung beeinträchtigen. Bei frühestmöglichem Einsetzen einer geeigneten Therapie sind diese Fälle jedoch prognostisch deutlich besser einzuschätzen als die oben erwähnten klassischen Ataxien.

Aber auch im Zuge von Infektionskrankheiten können Koordinationsstörungen auftreten.

  • Hierbei zu nennen sei an erster Stelle die Equine-Herpes-Virus-1Infektion. Dieses Virus ist verantwortlich für die einem jeden Pferdehalter bekannte Rhinopneumonitis; der typische „Husten“ im Stall. Es kann aber auch Ursache von Hirn- und Rückenmarksentzündungen sein, welche zu teilweise dramatisch verlaufenden, hoch fieberhaften Erkrankungen und Ataxien führen.
  • Die Borna’sche Krankheit; eine viral bedingte Infektionserkrankung, welche in der Regel schnell zum Tode führt.
  • Die Borreliose; eine in der Regel durch Zeckenbisse übertragene fiebrige Allgemeininfektion. Im manchem Sommer wurde diese Erkrankung durch zum Teil dramatische Berichte über Hirnhauterkrankungen bekannt. Die Prognose ist bei adäquater Therapie jedoch als günstig zu beurteilen.
  • Bei der Equinen Protozoären Meningoenzephalitis handelt es sich um eine durch Einzeller ausgelöste nichteitrige Entzündung des Rückenmarkes sowie des Hirnstammes. Die Erkrankung zeichnet sich durch Lahmheit, Schwäche und Ataxie aus; dabei kann es aufgrund der Beteiligung des Hirnstammes auch zu Kreisbewegungen und Depressionen kommen.
  • Zuletzt zu nennen sei die Spinale Nematodiasis. Die Krankheitserscheinungen werden durch Parasiten verursacht, die in das Rückenmark einwandern. Dabei stehen deren Größe und Anzahl sowie die Lokalisation im Zentralnervensystem in direktem Zusammenhang zur Ausprägung der Symptomatik.

Neben den bereits genannten Ursachen der Entstehung einer Ataxie gibt es noch weitere, zum Teil auch ungeklärte Krankheitsursachen, auf die hier der Kürze halber nicht weiter eingegangen werden kann.
Diagnoseschritte durch den Arzt

In einem detaillierten Vorbericht sollten zunächst folgende Punkte geklärt werden:

  • Wann wurden erstmals Symptome beobachtet?
    ⇒ Welche Symptome wurden beobachtet?
  • Wie war der Verlauf der Erkrankung?
  • Gab es vorhergehende traumatische Einflüsse (Sturz, Überschlagen, etc.) bzw. fieberhafte Erkrankungen?
  • Wie ist der Impfstatus des Tieres?

Einer kurzen Allgemeinuntersuchung des Pferdes folgt eine ausführliche neurologische Untersuchung. Diese dient in erster Linie der Lokalisation der Erkrankung und kann bereits eindeutige Erkenntnisse über die Krankheitsursache geben.

Je nach Verdacht können dann weitere Standarduntersuchungen (Blutuntersuchung, Röntgen, etc.) oder auch aufwendige Spezialuntersuchungen wie die Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit, Szintigraphie, Computertomographie oder die röntgenologische Kontrastdarstellung des Wirbelkanals in Vollnarkose angeschlossen werden.

Therapie

Aufgrund der aufgezeigten vielfältigen Krankheitsursachen, die zur Entstehung einer Ataxie beitragen, kann keine Standardtherapie vorgeschlagen werden.

Vielmehr muss in jedem konkreten Einzelfall nach entsprechender Diagnosestellung ein Therapieplan aufgestellt werden. Die Therapie kann je nach Grundleiden von der Gabe von Entzündungshemmern und Entwässerungsmitteln v.a. bei traumatischen Erkrankungen über die Verabreichung von Antibiotika, Antiparasitika, Immunseren und –stimulantien bei den infektiös bedingten Ataxien bis hin zu unterstützenden physiotherapeutischen Anwendungen reichen.

Immer sollte eine Therapie aber nur dann erfolgen, wenn sie sinnvoll und dem Pferd zumutbar erscheint und wenn sich der Pferdebesitzer bzw. -halter durch eine konkrete tierärztliche Aufklärung des Aufwandes (sowohl finanziell als auch zeitlich) und des reell zu erwartenden Heilungserfolges (Chance zu Überleben, bleibende Folgeschäden, generelle Nutzbarkeit des Pferdes) voll bewusst ist.

Nur so lassen sich die zum Teil langjährigen, oftmals tragischen Krankheitsgeschichten ataxiekranker Pferde mit all den menschlichen, aber leider oft unrealistischen Hoffnungen und daraus folgenden späteren Enttäuschungen vermeiden.

Zusammenfassung

  • Ataxie ist eine beim Pferd eher selten anzutreffende Erkrankung.
  • Die Erkrankungslokalisation liegt in der Regel im Kopf-Hals-Bereich.
  • Auslösende Faktoren können sehr verschiedenartig
  • Vor Therapiebeginn sollte daher eine exakte Diagnose gestellt werden.
  • Eine Therapie ist nur dann sinnvoll, wenn sie dem Pferd zumutbar ist und den vom Besitzer erhofften Erfolg realistisch ermöglichen kann.
  • Die Prognose ist in den meisten Fällen eher vorsichtig bis schlecht zu stellen.
  • Bei Verdacht auf Ataxie sollte vor allem bei reiterlicher Nutzung eine tierärztliche Abklärung (Lebensgefahr!)
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